Die Weihnachtsgans
In der Umgebung von Bremen lebten zwei
nette alte Damen. Es war schwer, sich für Weihnachten einen wirklichen Festbraten zu
verschaffen. Nun hatte die eine der Damen die Möglichkeit, auf dem Land gegen allerlei
Textilien eine wohl noch magere, aber springlebendige Gans einzuhandeln. In einem Korb
verpackt brachte die Dame - nennen wir sie Fräulein Agathe - das Tier nach Hause. Und
sofort begannen Agathe und ihre Schwester Emma das Tier zu füttern und zu pflegen. Die
beiden Damen wohnten in einem Mietshaus im zweiten Stock und niemand im Hause wusste
davon, dass in einem der Wohnräume der Schwestern ein Federvieh hauste, das verwöhnt
und großgezogen wurde. Agathe und Emma beschlossen feierlich, keinem einzigen Menschen
jemals davon zu sagen und zwar aus zweierlei Gründen: Erstens gab es Neider und zweitens
wollten die beiden Damen nicht um die Welt mit irgendeinem nahen oder weiteren Verwandten
die später möglicherweise nudelfett gewordene und dann gebratene Gans teilen. Deshalb
empfingen sie auch sechs Wochen lang, bis zum 24. Dezember, keinen einzigen Besuch. Sie
lebten nur für die Gans. Nun kam der Morgen des 23. Dezember heran. Es war ein
strahlender Wintertag. Die ahnungslose Gans stolzierte vergnügt von der Küche aus ihrem
Körbchen in das Schlafzimmer der beiden Schwestern und begrüßte sie zärtlich
schnatternd. Die beiden Damen vermieden es, sich anzusehen. Nicht, weil sie böse
aufeinander waren, sondern - nun, weil eben keine von ihnen die Gans schlachten wollte.
"Du musst es tun!" sagte Agathe, sprach's, stieg aus dem Bett, zog sich rasch
an, nahm eine Einkaufstasche, überhörte den stürmischen Protest und verließ in
rasender Eile die Wohnung. Was, sollte Emma tun? Sie murrte vor sich hin, dachte darüber
nach, ob sie nicht vielleicht einen Nachbarn bitten sollte, der Gans den Garaus zu machen,
aber - wie schon erwähnt - hätte man dann eben einen großen Teil von dem gebratenen
Vogel abgeben müssen. Also schritt Emma zur Tat, nicht ohne dabei wild zu schluchzen. Als
Agathe nach geraumer Zeit wiederkehrte, lag die Gans auf dem Küchentisch; ihr langer Hals
hing wehmütig pendelnd herunter. Blut war keines zu sehen, aber dafür alsbald zwei liebe
alte Damen, die sich schluchzend umschlungen hielten. "Wie...wie", schluchzte
Agathe, "hast du es denn gemacht?" - "Mit....mit...Veronal!", weinte
Emma. "Ich habe ihr einige Deiner Schlafpulver auf einmal gegeben, und jetzt ist
sie.... huuhuu.... rupfen musst du sie....huuhuu...." Nachdem sich die beiden
engumschlungen, auf einem Sofa sitzend ausgeweint hatten, raffte sich Agathe auf und
begann den noch warmen Vogel systematisch zu rupfen. Federchen auf Federchen schwebte in
eine Papiertüte, die die unentwegt weinende Emma hielt. Zum Ausnehmen aber konnte sich
keine entscheiden, so kam man überein, da es mittlerweile spät abends geworden war, das
Ausnehmen der Gans auf den nächsten Tag zu verschieben. Am zeitigen Morgen wurden Agathe
und Emma geweckt. Mit einem Ruck setzten sich die beiden Damen gleichzeitig im Bett auf
und stierten mit aufgerissenen Augen und offenen Mündern auf die nachts offengebliebene
Küchentür. Herein spazierte, zärtlich schnatternd, wenn auch zitternd und frierend, die
gerupfte Gans. Bitte, es ist wirklich wahr! Hören Sie nur weiter. Es kommt nämlich noch
besser. Als ich am Weihnachtsabend zu den beiden alten Damen kam, um ihnen noch rasch zwei
kleine Päckchen zu bringen, kam mir ein vergnügt schnatterndes Tier entgegen, das ich
nur des Kopfes wegen als Gans ansprechen konnte, denn das ganze Vieh steckte in einem
liebevoll gestrickten Pullover, den die beiden Damen in rasender Eile für ihren Liebling
angefertigt hatten. Viele Leute kamen damals, um die Pullover-Gans zu sehen. Sie lebte
noch sieben Jahre und starb dann eines natürlichen Todes, betrauert von den beiden, die
in ihrem Leben nie wieder einen Gänsebraten aßen.
Verfasser unbekannt
Die Kollekte
Ein modernes Weihnachtsmärchen
Der Pfarrer war erst vor wenigen Monaten
aus Deutschland gekommen, aber er hatte sich schon ganz gut eingelebt. Deshalb fiel es ihm
auch nicht weiter auf, als er die Treppe zur Kirchentür empor ging, dass am Rand der
Treppe, gegen die Wand gedrängt, zwei ärmlich aussehende Kinder saßen; ein Mädchen von
etwa 7 und ein Junge, der 5 Jahre alt sein mochte. Zwischen sich hatten sie eine Schachtel
voller Süßigkeiten und kleiner, billiger Spielsachen - sicher die Geschenke, die sie
bekommen hatten, denn der Pfarrer betrat die Kirche zur Christvesper. Als er eingetreten
war, krochen die beiden Kleinen bis an die Tür und blickten staunend in die festlich
geschmückte Kirche. Viele Leute saßen dort; die Kinder hatten sie, als sie auf der
Treppe vorbeigingen, schüchtern und sehnsüchtig angelächelt, aber kaum einer hatte
Notiz von ihnen genommen. Und nun stand der Onkel in dem komischen langen schwarzen Rock
dort vorn und sprach zu den Leuten in einer Sprache, die die Kinder nicht verstanden. Und
immer wieder sangen sie Lieder dort drinnen, schöne Lieder, wenn auch ganz andere, als
die Kinder von zu Hause kannten.
Schließlich war der Gottesdienst zu Ende. Der Mann im schwarzen Rock stand in der Tür
und drückte allen, die herauskamen, die Hand und sagte irgend etwas Unverständliches -
und etwas Eigenartiges sahen die Kinder noch: alle, die herauskamen, warfen Geldscheine in
einen Papierkorb. Vor der Kirche gab es noch eine Weile frohe Unterhaltung, Begrüßungen,
Glückwünsche; ein fröhliches Durcheinanderreden - die Kinder jedoch bemerkte keiner.
Langsam ebbte das Stimmengewirr ab, noch ein paar Weihnachtswünsche hallten durch die
Nacht, und dann stand der Pfarrer allein da und schickte sich an, die Kirche zu
schließen. Da fiel sein Blick auf die beiden Kleinen, die immer noch am Rand der Treppe
saßen, die kostbare Schachtel wohlbehütet zwischen sich. Er wendete sich ihnen zu, und
erschrocken drängten sie sich enger an die schützende Wand. Aber Ihr braucht doch
keine Angst vor mir haben! sagte der Pfarrer in der Sprache, die sie verstanden. Er
sprach sie zwar noch nicht perfekt, aber es langte zur Verständigung. Schüchtern blickte
das Mädchen zu ihm auf und sagte: Du hast aber ein schönes Haus, Onkel! -
Das ist nicht mein Haus, erwiderte er, das ist die Kirche, und die
gehört dem lieben Gott.
Ob der wohl auch unter den vielen Menschen gewesen sei, die hier waren, wollte sie wissen.
Aber nein, erklärte der Pfarrer, der liebe Gott ist doch unser Vater im
Himmel. - Ja, unser Vater ist im Himmel, seit die bösen Leute ihn erschlagen
haben, mit der Mutter, das hat uns die Tante gesagt. Der Pfarrer zuckte zusammen bei
dieser mit solcher Selbstverständlichkeit ausgesprochenen grausamen Enthüllung. Aber
geistesgegenwärtig hakte er wieder ein und erklärte dem Mädchen, dass der liebe Gott
eine andere Art Vater sei. Und Du weißt doch, dass wir heute Weihnachten feiern,
den Tag, an dem der liebe Gott seinen Sohn zu uns geschickt hat. Nein, sie wusste es
nicht; sie hatte zwar das Wort Weihnachten gehört, aber die Bedeutung war ihr nicht klar.
Nur, dass alle Leute sich Geschenke machen, das wusste sie. Der Pfarrer kauerte sich neben
sie auf die Treppe und versuchte, ihnen in kurzer Form die Weihnachtsgeschichte
klarzumachen. Die Kinder sahen ihn etwas zweifelnd an; dann fasste das Mädchen Mut und
fragte: Onkel, die Leute, die bei Dir waren, die müssen aber reich sein! Ich habe
gesehen, wie sie alle beim Hinausgehen Geld in den Papierkorb geworfen haben. Das
sei aber kein Papierkorb, sondern ein Kollektenkasten, sagte er. Und heute haben die Leute
dort Geld hineingelegt, das für die armen Kinder in der Welt bestimmt sei. Au, das
muss aber schön dort sein! mischte sich plötzlich der Junge ein, der bisher
geschwiegen hatte. Wo ist das denn, und wie kommt man da hin? -
Wohin? fragte der Pfarrer verdutzt. Na, in die Welt, Onkel, wo so ein
lieber Gott ist und wo die armen Kinder von Leuten Geld bekommen! - Die Welt sei
überall, erklärte er, und außerdem müsse er jetzt nach Hause zu seiner Familie gehen,
und sie sollten doch nun auch ihre Geschenkschachtel nehmen und nach Hause gehen, um
Weihnachten zu feiern. Betroffen sah ihn das Mädchen an, und dann begann sie plötzlich
krampfhaft zu schluchzen und zu weinen. Der kleine Junge stimmte mit ein. Der Pfarrer
begriff nicht, was geschehen war. Er versuchte, die Kinder zu beruhigen, und als ihm das
halbwegs gelungen war, fragte er behutsam nach dem Grund dieses Ausbruchs. Dürfen
wir heute nicht hier schlafen, auf der Treppe, da ist es so schön geschützt, denn wenn
wir jetzt nach Hause gehen, schlägt uns der Mann meiner Tante.- Wieso denn? wollte
der Pfarrer wissen. Er hat gesagt, heute ist Weihnachten, da kaufen die Leute viel,
und wir sollen nicht nach Hause kommen, ohne alle Ware verkauft zu haben und mindestens 10
Taler heimzubringen.
Aber die Leute hatten es alle so eilig heute, alle haben große Geschenkpakete geschleppt,
aber keiner hat uns auch nur ein Päckchen Keks oder Schokolade abgekauft.
Schlagartig kam dem Seelsorger der Irrtum zum Bewusstsein, der ihm unterlaufen war, als er
gemeint hatte, in der Schachtel seien die Weihnachtsgeschenke der Kinder. Und er begriff,
dass er hier bei zwei kleinen Unglückswürmchen saß, für die sie sonst kein Platz
hatten in der großen Herberge Welt. Und sein Blick fiel auf den Kollektenkasten, und es
ging ihm durch den Kopf, dass von dem Geld, das darin lag, eines Tages - nach Abzug aller
Verwaltungsgebühren und der Spesen für internationale Konferenzen über notleidende
Kinder - ein kleiner Teil vielleicht auch Kindern, wie diese waren, zugute kommen würde.
Aber dann kam es ihm, dass doch hier, vor der Kirchentür, eigentlich auch
Welt war; und obwohl er gelernt hatte, dass Almosen zu nichts führen und man
den Leuten beibringen sollte, sich selbst zu helfen, gab es doch wohl Fälle, und dies war
vielleicht einer, wo man von der Regel eine Ausnahme machen sollte. Er versuchte, sich
vorzustellen, was wohl der Knabe in der Krippe, über den er so schön gepredigt hatte,
dazu meinen würde. Es war kein langer Kampf in seinem Innern, bis er sagte: Wartet
mal einen Augenblick, Kinder und durch die offene Tür an den Kasten ging, aus dem
er etwas herausholte. Dann wendete er sich zurück zu den beiden Kleinen und fragte:
Würdet Ihr mir für 20 Taler wohl diese Sachen in der Schachtel verkaufen? -
Klar! rief der Junge. Aber das Mädchen fragte ängstlich: Was müssen
wir dafür tun? - Nur eines, beschwichtigte der Pfarrer, Ihr sollt
allen Leuten sagen, dass Weihnachten keine Lüge ist, und dass der liebe Gott im Himmel
wirklich für seine Kinder sorgt.- Die Kleine guckte immer noch ängstlich, aber
jetzt nahm der Junge die Schachtel, hielt sie zögernd hin, und fragte: Gibst Du uns
auch wirklich das Geld? Als Antwort reichte der Pfarrer dem Mädchen zwei
10-Talerscheine und fragte: Wenn ich Euch jetzt die Schachtel lasse, was macht Ihr
dann damit? Außer sich vor unfassbarem Glück erwiderte das Mädchen: Jetzt, wo wir
unserem Pflegevater das Geld geben können und sogar noch etwas für die Tante übrig
bleibt, die sich nie etwas kaufen kann - ja, dann würden wir die Sachen hier mit unseren
Nachbarkindern teilen. Da sind welche bei, denen geht es noch viel schlechter, als mir und
meinem Bruder, und dann hätten die doch auch mal was von Weihnachten! Der Pfarrer
hat seinen Entschluss nicht bereut, und als er schließlich die Kirche abschloss und an
der Krippe neben dem Altar vorbei in die Sakristei ging, da kam es ihm vor, als hätte das
Kind in der Krippe die Züge des Mädchens, das heute zum ersten Mal Weihnachten erlebt
hatte.
Hermann Evelbauer
2011
Es geht wieder los ..... Frohe Weihnachten !!!!!
Sonnige Tage im Oktober...
Mittwoch; 13. Oktober:
Schönster Altweibersommer - Noch einmal Menschen in T-Shirt und Sandalen in den
Strassencafés und Biergärten. Bisher keine besonderen Vorkommnisse in der
Einkaufsstraße.
Dann plötzlich um 10:47 Uhr kommt der Befehl von Aldi-Geschäftsführer Erich B.: "5
Paletten Lebkuchen und Spekulatius in den Eingangsbereich!" Von nun an überschlagen
sich die Ereignisse. Zunächst reagiert Minimal-Geschäftsführer Martin O. eher
halbherzig mit einem erweiterten Kerzensortiment und Marzipankartoffeln an der Kasse.
15:07 Uhr: Edeka-Marktleiter Wilhelm T. hat die Mittagspause genutzt und operiert mit
Lametta und Tannengrün in der Wurstauslage.
16:02 Uhr: Die Filialen von Penny und Plus bekommen Kenntnis von der Offensive, können
aber aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht gegenhalten und fordern ein
Weihnachts-Stillstands-Abkommen bis zum 20. Oktober. Die Gespräche bleiben ohne Ergebnis.
Donnerstag, 14. Oktober:
07:30 Uhr: Im Eingangsbereich von Karstadt bezieht überraschend ein Esel mit
Rentierschlitten Stellung, während zwei Weihnachtsmänner vom studentischen
Nikolausdienst vorbeihastende Schulkinder zu ihren Weihnachtswünschen verhören.
Zeitgleich erstrahlt die Kaufhausfassade im gleißenden Schein von 260.000 Elektrokerzen.
Die geschockte Konkurrenz kann zunächst nur ohnmächtig zuschauen. Immerhin haben jetzt
auch Kaufhof, REWE und Minimal den Ernst der Lage erkannt.
Freitag, 15. Oktober:
09:00 Uhr: Edeka setzt Krippenfiguren ins Gemüse.
09:12 Uhr: Minimal kontert mit massivem Einsatz von Rauschgoldengeln im Tiefkühlregal.
10:05 Uhr: Bei Kaufhof verirren sich dutzende Kunde in einem Wald von Weihnachts-bäumen.
12:00 Uhr: Neue Dienstanweisung bei REWE: An der Käsetheke wird mit sofortiger Wirkung
ein "Frohes Fest" gewünscht. Die Schlemmerabteilung von Kaufhof kündigt für
den Nachmittag Vergeltungsmaßnahmen an.
Samstag; 16. Oktober:
07:00 Uhr: Karstadt schaufelt Kunstschnee in die Schaufenster.
08:00 Uhr: In einer eilig einberufenen Krisenversammlung fordert der aufgebrachte Penny-
Geschäftsführer Walter T. von seinen Mitarbeitern lautstark: "Weihnachten bis zum
Äußersten" und verfügt den pausenlosen Einsatz der von der Konkurrenz
gefürchteten CD: "Weihnachten mit Mireille Matthieu" über Deckenlautsprecher.
Der Nachmittag bleibt ansonsten ruhig.
Montag; 19. Oktober:
08:00 Uhr: Anwohner der Kampstrasse versuchen mit Hilfe einer einstweiligen
Verfügung die nun von Kaufhof angedrohte Musikoffensive "Heiligabend mit den
Flippers" zu stoppen.
09:14 Uhr: Ein Aldi-Sattelschlepper mit Pfeffernüssen rammt den Posaunenchor
"Adveniat", der gerade vor Karstadt zum grossen Weihnachtsoratorium ansetzen
wollte.
09:30 Uhr: Aldi dementiert. Es habe sich bei der Ladung nicht um Pfeffernüsse, sondern
Christbaumkugeln gehandelt.
18:00 Uhr: In der Stadt kommt es kurzfristig zu ersten Engpässen in der Stromversorgung
als der von C&A beauftragte Rentner Erwin Z. mit seinem Flak-Scheinwerfer Marke
"Varta Volkssturm" den Stern von Bethlehem an den Himmel zeichnet.
Dienstag; 20. Oktober:
Die Fronten verhärten sich; die Strategien werden zunehmend aggressiver.
10:37 Uhr: Auf einem Polizeirevier meldet sich die Diabetikerin Anna K. und gibt zu
Protokoll, sie sei soeben auf dem Platz vor Lidl zum Verzehr von Glühwein und
Christstollen gezwungen worden. Die Beamten sind ratlos.
12:00 Uhr: Seit gut einer halben Stunde beschießen Karstadt, Kaufhof und C&A die
Einkaufszone mit Schneekanonen. Das Ordnungsamt mahnt die Räum- und Streupflicht an.
Umsonst!
14:30 Uhr: Teile des Stadtbezirks sind unpassierbar. Eine Hubschrauberstaffel des
Bundesgrenzschutzes beginnt mit der Bergung von Eingeschlossenen.
Menschen wie du und ich, die nur mal in der schönen Herbstsonne bummeln wollten.
Frohe Weihnachten!
Verfasser/in unbekannt
2010
Weihnachten steht vor der Tür
Weihnachten, das Fest der Freude,
steht nun fast vor unsrer Tür.
Was erwarten denn die Leute?
Gibt es einen Grund dafür?
Wochenlang sind wir am Rennen,
kaufen Uhren, Schmuck und Wein.
Gibt es einen Grund zu nennen,
dass das alles soll so sein?
Treppen rauf und Treppen runter,
das Gerenne auf und ab
macht uns nicht gerade munter -
uns're Kraft nimmt ständig ab!
So genervt geh'n wir nach Hause;
uns erwarten Mann und Kind
und anstatt 'ner kleinen Pause
gibt es heute nichts als Wind!
Wir fanden nicht, was uns gefällt
für Mann und Kind zu schenken.
Der Einkauf wurde uns vergällt
von allerlei Bedenken.
Mal war die Weste zu kariert,
das Hemd dabei zu trist
und wenn er dann darin noch friert,
dann sagt er: So ein Mist!
Die Männer sagen, was sie denken
und nehmen da kein Blatt vor'n Mund.
Wir machen uns Gedanken, was wir schenken
und die sind sauer ohne Grund!
Am besten wär's, wenn wir beraten,
wie wir gemeinsam ohne Stress
Geschenke, Wein und Gänsebraten
besorgen uns mit Happyness!
Denn alles Wühlen und Gedränge
ist nicht der Weihnachtsfreude Sinn.
Was hilft uns all das Handgemenge,
wir haben davon kein' Gewinn!
Viele Gründe gibt's tatsächlich,
die uns davon raten ab.
Besser wär's, wenn wir gemächlich
alles angeh'n statt in Trab!
Das Beste ist gelebte Liebe,
denn sie allein gibt uns die Kraft,
damit im hektischen Getriebe
uns nicht gerinnt der Lebenssaft!
Advent bedeutet für uns "Ankunft"
desjenigen, der uns erlöst
von allem, was uns für die Zukunft
Sorgen, Not und Angst einflößt.
Es ist der Herr, der uns ganz sachte
von aller Last befreien will;
der uns die Weihnachtsfreude brachte,
damit wir ruhig sind und still.
Er will uns neues Leben geben
mit allem, was wir nie gekannt,
damit wir sehen und erleben,
wovor wir immer weggerannt!
So lasst es uns doch einmal wagen,
dass wir bereit sind für den Herrn.
Denn ER alleine kann uns tragen -
dass Kummer, Sorge, Angst sind fern!
Von Renate Euler
Karibische "Jingle Bells"
"Nein wirklich, dieser ganze Weihnachtstrubel geht mir so auf die Nerven." Ich
heule mich bei meiner Freundin aus, die meine Einstellung aber gar nicht teilt.
"Seit Wochen nur ,Jingle Bells' und ,Oh Tannenbaum'. Alles rennt und hetzt, nur weil
bald Weihnachten ist.
"Ach, Weihnachten ist doch schön! Ich weiß gar nicht, was du hast. Wenn du irgendwo
wärst, wo man nicht so feiert wie hier, wärst du doch auch nicht zufrieden."
Mensch, das ist es, denke ich mir! Irgendwohin, wo es nicht so furchtbar weihnachtlich
ist. Ganz vorsichtig frage ich bei meiner Familie an, ob wir in diesem Jahr nicht mal
verreisen wollen. "Es gibt bestimmt noch ein paar günstige
Last-Minute-Angebote," locke ich.
Doch Kind und Mann wollen davon nichts wissen. Weihnachten ist nur schön zu Hause. Sagen
sie. Ist ja auch kein Wunder. Wer hat denn die ganze Verantwortung für die Vorbereitungen
an der Backe? Wer plant das Essen, wer schreibt den Stapel Weihnachtskarten, wer kauft die
Geschenke, wer backt die Plätzchen? Advent, Advent, die Mutti rennt.
Ich erzähle meinen beiden von den vielen Dingen, die ich noch zu erledigen habe und male
gleichzeitig in den schönsten Tönen die Vorzüge einer karibischen Weihnacht aus. Es hat
einige Tage gedauert, aber ich hab's geschafft.
Wir haben noch ein richtiges Reiseschnäppchen gemacht. Eine Woche Dominikanische
Republik.
Ein Wahnsinn: Weihnachten am Strand. Palmen, Meer und warmes Wetter, keine übervollen
Weihnachtsmärkte, keine Lichterketten, keine Hektik, kein Weihnachtsbraten, der
vorbereitet werden will.
Das Hotel hat natürlich für den 24. ein besonderes Programm, das ist ja klar!
Für die meistens europäischen Gäste haben sie ein perfektes Arrangement
zusammengestellt. In der Halle des Hotels ist ein riesiger Tannenbaum aufgestellt.
Dahinter hat man eine künstliche Schneelandschaft mit Schneemännern und Schlitten
aufgebaut.
Und wir singen "Jingle Bells". Alle singen "Jingle Bells". Auch wir.
Mit Tränen der Rührung in den Augen, Weihnachtslieder singend, genießen wir den
Heiligen Abend und denken an unsere Lieben daheim.
"Ja, es war wunderbar", bestätige ich später meiner Freundin. "Ich bereue
nicht, dass wir dieses Mal vor Weihnachten geflohen sind."
"Ob wir denn nichts vermisst hätten", fragt sie mich noch.
"Vermisst? Nö, vielleicht hätten wir doch noch ,Oh Tannenbaum' singen sollen."
Von Rita Fehling
Die Weihnachtsmaus
Die Weihnachtsmaus ist sonderbar
(sogar für die Gelehrten),
Denn einmal nur im ganzen Jahr
entdeckt man ihre Fährten.
Mit Fallen und mit Rattengift
kann man die Maus nicht fangen.
Sie ist, was diesen Punkt betrifft,
noch nie ins Garn gegangen.
Das ganze Jahr macht diese Maus
den Menschen keine Plage.
Doch plötzlich aus dem Loch heraus
kriecht sie am Weihnachtstage.
Zum Beispiel war vom Festgebäck,
das Mutter gut verborgen,
mit einem mal das Beste weg
am ersten Weihnachtsmorgen.
Da sagte jeder rundheraus:
Ich hab´ es nicht genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
die über Nacht gekommen.
Ein andres Mal verschwand sogar
das Marzipan von Peter;
Was seltsam und erstaunlich war.
Denn niemand fand es später.
Der Christian rief rundheraus:
ich hab es nicht genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
die über Nacht gekommen!
Ein drittes Mal verschwand vom Baum,
an dem die Kugeln hingen,
ein Weihnachtsmann aus Eierschaum
nebst andren leck`ren Dingen.
Die Nelly sagte rundheraus:
Ich habe nichts genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
die über Nacht gekommen!
Und Ernst und Hans und der Papa,
die riefen: welche Plage!
Die böse Maus ist wieder da
und just am Feiertage!
Nur Mutter sprach kein Klagewort.
Sie sagte unumwunden:
Sind erst die Süßigkeiten fort,
ist auch die Maus verschwunden!
Und wirklich wahr: Die Maus blieb weg,
sobald der Baum geleert,
sobald das letzte Festgebäck
gegessen und verzehrt.
Sagt jemand nun, bei ihm zu Haus,
- bei Fränzchen oder Lieschen -
da gäb es keine Weihnachtsmaus,
dann zweifle ich ein bisschen!
Doch sag ich nichts, was jemand kränkt!
Das könnte euch so passen!
Was man von Weihnachtsmäusen denkt,
bleibt jedem überlassen.
Von James Krüss
Advent in Klaa-Krotzebursch
Es geschah am Sonntag, dem 1. Advent - könnte aber
genauso gut auch bei uns passieren:
10:00 Uhr: In der Reihenhaussiedlung Limesgärtchen
lässt die Rentnerin Erna B. durch ihren En-kel drei Elektrokerzen auf der Fensterbank
ihres Wohnzimmers installieren. Vorweihnachtliche Stimmung breitet sich aus, die Freude
ist groß.
10:14 Uhr: Beim Entleeren des Mülleimers
beobachtet Nachbar Ottfried P. die provokante Weih-nachtsoffensive im Nachbarhaus und
kontert umgehend mit der Aufstellung des 10-armigen däni-schen Kerzensets zu je 15 Watt
im Küchenfenster.
11:23 Uhr: Der aus dem Erzgebirge zugereiste Jens
W. denkt sich: Was die Wessis können, kön-nen mir Ossis schon lange, nu! und dekoriert
alle Fenster mit den unübertrefflichen Schwipp-Bögen.
Stunden später erstrahlt die gesamte Siedlung
Limesgärtchen im besinnlichen Glanz von 134 elektrischen Fensterdekorationen.
19:03 Uhr: Im 4 km entfernten Kraftwerk Staudinger
registriert der wachhabende Ingenieur irrtüm-lich den Defekt der Strommessgeräte für
den Bereich Hanau-Ost, ist aber zunächst noch arglos.
20:17 Uhr: Den Eheleuten Horst und Inge B. gelingt
der Anschluss einer Kettenschaltung von 96 Halogenfilmleuchten durch sämtliche Bäume
ihres Obstgartens an das Drehstromnetz. Teile der heimischen Vogelwelt beginnen verwirrt
mit dem Nestbau.
20:56 Uhr: Der Diskothekenbesitzer Roland H. sieht
sich genötigt, seinerseits seinen Teil zur vor-weihnachtlichen Stimmung beizutragen und
montiert auf dem Flachdach seines Bungalows das Laser-Ensemble Metropolis, das zu den
leistungsstärksten Europas zählt. Die 40 m hohe Fassade eines angrenzenden Getreidesilos
hält dem Dauerfeuer der Nikolausprojektion mehrere Minuten stand, bevor sie mit einem
hässlichen Geräusch zerbröckelt.
21:30 Uhr: Im Trubel einer Weihnachtsfeier im
Kohlekraftwerk Staudinger verhallt das Alarmsignal aus Generatorhalle 5.
21:50 Uhr: Der 85-jährige Kriegsveteran August R.
zaubert mit 190 Flakscheinwerfern des Typs Volkssturm den Stern von Bethlehem an die tief
hängende Wolkendecke.
22:12 Uhr: Eine Gruppe asiatischer Geschäftsleute
mit leichtem Gepäck und sommerlicher Be-kleidung irrt verängstigt durch die Siedlung
Limesgärtchen. Zuvor war eine Boeing 747 der Singa-pur Airlines mit dem Ziel Sydney
versehentlich in der mit 3000 bunten Neonröhren gepflasterten Garagenauffahrt der
Bäckerei Betz gelandet.
22:37 Uhr: Die NASA-Raumsonde Voyager 7 funkt vom
Rande des Sonnensystems Bilder einer angeblichen Supernova auf der nördlichen
Erdhalbkugel. Die Experten in Houston sind ratlos.
22:50 Uhr: Ein leichtes Beben erschüttert die
Umgebung des Kohlekraftwerks Staudinger. Der gesamte Komplex mit seinen 30 Turbinen läuft
mit 350 Megawatt brüllend jenseits der Bela-stungsgrenze.
23:06 Uhr: In der taghell erleuchteten Siedlung
Limesgärtchen erwacht die Studentin Susanne N. und freut sich irrtümlich über den
sonnigen Dezembermorgen.
Um genau 23:12 Uhr betätigt sie den Schalter ihrer
Kaffeemaschine.
23:12 und 14 Sekunden: In die plötzliche
Dunkelheit des gesamten Landkreises Hanau und Of-fenbach bricht die Explosion des
Kohlekraftwerks Staudinger wie Donnerhall. Durch die stockfin-steren Ortschaften irren
verstörte Menschen.
Menschen wie Sie, wie Du und ich.
Kurzum: Menschen, wie wir alle, denen eine Kerze auf dem
Adventskranz nicht genug war! |